Etymologische Geschichten
Die Etymologie, die Wissenschaft von der Herkunft und Geschichte der Wörter und ihrer Bedeutungen, will ich für einen chemischen, medizinischen und botanische Namen anwenden. Das Wort Etymologie selbst leitet sich vom griechischen Wort etymos ab, was wahr, wirklich bedeutet.
Vitamin E, Tocopherol
Als ich seinerzeit in meinem Biochemiebuch (Buddecke) das Tocopherol gelernt habe, standen dort auch folgende Synonyme dabei: Vitamin E, Antisterilitätsvitamin der Ratten.
Ich wusste lange nicht, was Antisterilitätsvitamin der Ratten bedeutete, bis ich auf die Entdeckungsgeschichte von Vitamin E gestoßen bin: In einem Labor wurden Ratten nur mit Milch gefüttert und leider stellte sich trotz größter Bemühungen der Männchen kein Nachwuchs ein. Dann wurde zu dieser Milchnahrung Weizenkeimöl dazugegeben und plötzlich waren die Weibchen trächtig. Was war es nun? War es das ‚Keim’-Öl? In diesem Weizenkeimöl jedenfalls wurde dann das Vitamin E entdeckt und als Tocopherol bezeichnet. Tokos (gr.) heißt Geburt und pherein bringen, es ist also das Geburt bringende Vitamin. Vorsicht vor unerwünschten Nebenwirkungen!
Leider habe ich zu folgender Fragestellung keine Studie gefunden: Wie viel Liter Milch muss eine Frau trinken, dass sie sicher nicht schwanger wird?
Podagra
Ich hoffe, ihr kennt die Podagra, die ‚Fußgicht’, nur von euren Patienten und nicht aus eigener Erfahrung. Der Ausdruck beschreibt auf sehr eindringliche Weise die unerbittlichen Schmerzen, und alles nur, weil die Patienten halt einmal etwas von der Mayr’schen Lehre abgewichen sind. In Österreich ist die Zahl der Mayr-Häuser nun einmal viel geringer als die der Buschenschänken und Heuriger und die Verlockungen sind groß. Und dass die Kardinalsünden nach F.X.Mayr so brutal geahndet werden, finde ich nicht fair von Mutter Natur. Podagra kommt von den griechischen Wörtern pous, podos - Fuß und von agra – Jagd, Fangen, Fangeisen. Plastischer kann eine medizinische Sprache nicht sein.
Ein deutscher Ausdruck für diese schmerzhafte Einlagerung von wunderschönen Kristallen ist Zipperlein. Dieses Wort kommt von mhd. zippeltritt, womit ein ‚trippelnder Gang’ mit kurzen, vorsichtigen Schritten gemeint war. Wie gemein! Große Schmerzen und durch das Gangbild noch dazu für jedermann deutlich zu erkennen, um welche Störung es sich handelt, sogar für den Nachbarn, der nicht einmal einen AK-Einführungskurs besucht hat.
Die Tollkirsche, Atropa belladonna
Die Tollkirsche, Atropa belladonna, kennen alle, auch jene, sich nur marginal mit der Homöopathie beschäftigen. Sogar Leuten, die Belladonna immer noch zu den hämopathischen’ Mitteln zählen, ist sie geläufig. Den Begriff ‚hämopathisch’ könnte man durchaus als Begriff für viele pharmazeutische Gifte etablieren, die leider unverdünnt gegeben werden und daher dem Blut schaden. Das Wort Homöopathie zu erklären, wäre für die hochgebildeten AK-ler und -Innen eine Beleidigung. Aber nun nach diesem notwendigen Präludium zur Atropa belladonna.
Dass bella donna schöne Frau heißt, weiß jeder in der AK aber warum, erkläre ich doch lieber. Die Römerinnen haben sich mit der Tollkirsche das Rouge auf die Wangen gemalt, durch die systemische Wirkung sind dann auch noch die Pupillen weit geworden und die Frauen immer toller. Leider hat eine Belladonna eine sehr geringe therapeutische Breite. Ich zitiere aus Roths, Daunderers und Kormanns Giftpflanzen: Innerhalb einer viertel Stunde stellen sich folgende Vergiftungserscheinungen ein: psychomotorische Unruhe und allgemeine Erregung, nicht selten auch in erotischer Hinsicht, Rededrang, starke Euphorie (Heiterkeit, Lachlust), aber auch Weinkrämpfe und schließlich Anfälle von Tobsucht und Raserei.
Das Wort Atropa (Atropin!) nimmt dann Bezug zur potentiell tödlichen Wirkung dieser Giftplanze.
Atropos ist eine der Schicksalsgöttinnen aus der griechischen Mythologie, atropos heißt unabwendbar. Die anderen zwei Schicksalsgöttinnen sind Klotho und Lachesis: Die erste spinnt den Lebensfaden, die zweite bestimmt seine Länge und die dritte schneidet ihn unabwendbar durch.
So ist das Leben.